Schon in den Achtzigerjahren entwickelte Bob Eichinger das 70-20-10 Modell am Center for Creative Leadership. Damals wurden 191 Führungskräfte befragt, wo und wie sie am besten gelernt hatten. Ergebnis: 70 Prozent des Know-hows hatten sie durch selbst gemeisterte Herausforderungen im Prozess der Arbeit gelernt. 20 Prozent des Wissens stammte von Anderen und nur 10 Prozent kamen aus klassischer Weiterbildung. Inzwischen gibt es eine Reihe neuerer Untersuchungen, auch mit etwas unterschiedlichen Ergebnissen. Was bleibt, ist aber die Erkenntnis, dass gerade im Zeitalter zunehmender Digitalisierung, das Lernen am Arbeitsplatz und im Arbeitsprozess einen immer höheren Stellenwert einnehmen wird. Das kurze Video von Charles Jennings & Fuse bringt diese Erkenntnis prägnant auf den Punkt.
Modernes “Workplace Learning” erfordert Paradigmenwechsel
Selbst ist der Manager des Lernens. Die Entwicklung von Kompetenzen setzt formelles Wissen voraus. Die eigentliche Kompetenzentwicklung basiert jedoch ganz wesentlich auf dem Erfahrungswissen aus den informellen Lernprozessen während der Arbeit (Workplace Learning). Diese Lernprozesse sind individuell verschieden und können nicht zentral, von der Personalentwicklung geplant werden. Vielmehr sollten Unternehmen dazu übergehen Rahmenbedingungen zu schaffen, mit denen das informelle Lernen gefördert wird. Nach W. Sauter geht des darum, einen “Ermöglichungsrahmen” zu entwickeln, um optimale Lernvoraussetzungen für das moderne “Workplace Learning” zu schaffen. Die Lerner erhalten in diesem neuen Lernsetting die Möglichkeit, Kompetenzziele und die dafür erforderlichen Wissens- und Qualifikationsziele eigenverantwortlich zu definieren. Ihre Kompetenzentwicklungsprozesse innerhalb des Ermöglichungsrahmens sollen sie selbst organisieren und umsetzen. Problemlösungen in der Praxis sollen sie allein oder kollaborativ mit Anderen entwickeln. Folglich bedeutet “Workplace Learning” konsequent umgesetzt einen Paradigmenwechsel. Nicht mehr die Personalentwickler sind primär für die Lernprozesse der Lernenden verantwortlich, sondern diese organisieren nunmehr ihre Kompetenzentwicklung selbst und in eigener Verantwortung.
Digiloge Transformation der Denkweise
Das wiederum bedeutet, dass die Unternehmenskultur sich entsprechend verändern muss. Statt den Mitarbeitern zu sagen, was sie lernen müssen, wie sie es lernen müssen, wann sie es lernen müssen und dann sicherzustellen, dass sie es auch machen, gehört zu einer Umsetzung von modernem “Workplace Learning” viel mehr als dies. Und gerade jetzt, wo sich Arbeitsplätze radikal verändern, braucht das Lernen am Arbeitsplatz eine neue Definition und vor allem eine neue Denkweise und Einstellung (Mindset, vgl. J. Hart). Eine Denkweise bzw. Haltung,
- die erkennt, dass das meiste Lernen als ein natürlicher Teil der Arbeit geschieht – durch tägliche Erfahrungen im Arbeitsprozess und Interaktionen mit Kollegen und anderen
- die die Tatsache schätzt, dass Menschen so viel für sich selbst lernen, indem sie das Web bei ihren täglichen Aktivitäten nutzen – ihre eigenen Probleme lösen und sich über ihre Branche und ihren Beruf informieren
- die das Lernen am Arbeitsplatz in allen ihren Formen wertschätzt – und es geht nicht nur darum, die Rahmenbedingungen und die Ressourcen für die Menschen zu organisieren, sondern auch darum, das ermutigende und unterstützte selbstorganisierte Lernen zu fördern
- die merkt, dass es nicht darum geht, zu verfolgen und zu messen, was die Leute gelernt haben, sondern die Auswirkung, die sie auf die Arbeit, die Teamleistung und Geschäftserfolg gehabt hat
- die versteht, dass sich die Welt schnell verändert und dass heute jeder selbst eine Verantwortung für das Lernen am Arbeitsplatz hat.
Mit der zunehmenden Digitalisierung besteht nicht nur die Notwendigkeit, sondern auch die Chance, das Lernen im Unternehmen anders zu gestalten, als in Form klassischer Seminarangebote. Digitale Medien spielen dabei eine wichtige Rolle, insbesondere in Form mobiler Endgeräte (Tablets und SmartPhones). Ebenso wichtig sind allerdings die analogen Erfahrungen, die die Menschen im Arbeitsprozess und im persönlichen Austausch mit anderen machen. Insofern gilt es eine Kombination aus digitalen und analogen Rahmenbedingungen zu schaffen, die das mehr informelle Lernen fördern, also eine “digiloge” Transformation der Denkweise.
Quellen
Sauter, W., Workplace Learning: Integrierte Kompetenzentwicklung mit kooperativen und kollaborativen Lernsystemen, Springer-Gabler (2013)
Hart, J., Modern Workplace Learning: A Resource Book for L&D, Lulu Press (2015)
Neueste Kommentare